Das Wort zum Sonntag – 32. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Pfarrgemeinde!

Als Jugendlicher bin ich einmal mit ein paar Freunden nach Linz ins Brucknerhaus zu einem Konzert gefahren. Der letzte Zug heim nach Steyr ging kurz vor 24.00 Uhr. Zeit, noch auf ein Getränk zu gehen. Na ja, wir sind halt ein wenig länger gesessen. Als wir dann am Bahnhof angekommen sind, war der letzte Zug jedenfalls gerade weg. Ein saudummes Gefühl. Wären wir doch früher vom Gasthaus aufgebrochen...

Ein ähnliches Gefühl kommt in mir hoch, wenn ich das heutige Gleichnis, das Gleichnis vom „abgefahrenen Zug" höre. So etwas passiert mr ja immer wieder. Jemand will dringend mit mir reden: „Momentan passt es nicht, damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Vielleicht ein anderes Mal!“ - Unwiderruflich vorbei!

Ein Ministrant zeigt mir stolz eine Zeichnung: „Später, die Messe beginnt gleich!" - Unwiderruflich vorbei!

Eine Mitarbeiterin schaut mich erwartungsvoll an: ihre Torte für das Pfarrcafé ist heute besonders gut gelungen! Ich übersehe ihren Blick - unwiderruflich vorbei!

„Kluge Jungfrau" sein heißt wach und bereit zu sein. Denn der Augenblick seines Kommens ist schnell vorbei, unwiederholbar - und etwas nachholen, wie die fünf törichten Jungfrauen das Öl, geht nicht - der Zug ist abgefahren, für immer.

„Seid wachsam!" mahnt Jesus. Verschlaft nicht solche Chancen, die euch das Leben immer wieder schenkt. Hinterherjammern, wie es die törichten Jungfrauen getan haben, nützt überhaupt nichts - die Vergangenheit ist Schnee von gestern. Einmalige Ereignisse sind nicht wiederholbar. Der Zug ist abgefahren, die Tür ist ins Schloss gefallen.

Wir müssen gar nicht auf den Himmel im Jenseits warten. Schon hier und jetzt können wir Augenblicke des Himmels, Erfahrungen der Liebe Gottes also, erleben - wenn wir sie nicht verschlafen.

Ihr Pfarrer