Das Wort zum Sonntag – 20. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Pfarrgemeinde!

Bert Brechts Gedicht über die Legende von der Entstehung des Buches Taoteking berichtet davon, wie der chinesische Weise auf dem Weg in die Emigration an der Grenze einem Zöllner verdächtig vorkommt, weil er nur so wenig Gepäck hat. Nachdem ihn der Diener des Weisen aufgeklärt hat, will er erfahren ob der Weise „was rausgekriegt“ hat. Und mit seiner hartnäckigen Neugierde erreicht er schließlich, dass der Weise zur Feder greift und das Buch Taoteking zu Papier bringt.

Ähnlich hartnäckig benimmt sich die Frau aus dem Gebiet der heidnischen Städte Tyrus und Sidon, die nicht eher Ruhe gibt, bevor Jesus nicht ihre Tochter gesund gemacht hat. Es gelingt Jesus nicht, die Sache zu ignorieren, den Aposteln ist es auch schon lästig, dass sie so laut hinter ihnen her schreit, und als Jesus schließlich sieht, wie fest diese Frau glaubt, kann er nicht anders, als ihr nach ihrem Willen zu tun.

Die Moral aus der Geschichte Brechts lautet, dass es zu wenig ist, wenn der Weise weise ist, denn „man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen. Darum sei der Zöllner auch bedankt: er hat sie ihm abverlangt.“ Ähnlich bedankt sei die glaubende Außenseiterin aus der Gegend von Tyrus und Sidon, denn sie hat mit ihrer hartnäckigen Art Jesus abverlangt, die Innenseite seiner Botschaft bloßzulegen.

Ihr Pfarrer