Das Wort zum Sonntag – 22. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Pfarrgemeinde!

Gerade ist Simon Petrus von Jesus zum Hoffnungsträger der Kirche ernannt worden, dem die Schlüssel zum Himmelreich anvertraut sind (vorigen Sonntag: „Du bist Petrus und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen …“) – schon folgt die kalte Dusche: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen, tritt hinter mich!“ Diese Worte Jesu klingen hart. Was hat Petrus angestellt, dass Jesus ihn derartig angreift? Er hat eine völlig verständliche menschliche Reaktion gezeigt, er wollte das Schwere – das Kreuz, das Jesus den Jüngern andeutet, nicht akzeptieren; Petrus redet Jesus ins Gewissen: „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!“ Wir alle würden vermutlich genauso handeln, wenn ein geliebter Mensch sich in Todesgefahr begibt.

Warum ist Jesus so wütend? Er setzt noch einen Satz hinzu, nachdem er Simon auf den ihm angemessenen Platz – nämlich hinter sich – gewiesen hat: „Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ Wir wollen vom Leid verschont bleiben; wir wünschen uns ein langes, unbeschwertes, glückliches Leben und einen sanften Tod. Wir wollen Großes vollbringen, aber wir wollen dabei überleben und den Erfolg genießen. Die meisten möchten mit ihren Lieben verbunden bleiben. Sie wollen Schmerzen vermeiden und die Lebensqualität steigern. Ist das schlecht? Es ist menschlich!

Jesus ist in dieser harten Auseinandersetzung mit Simon Petrus auf einer anderen Ebene. Er spricht von einem Ziel, das jenseits menschlicher Vorstellung eines glücklichen Lebens ist. Er bereitet sich auf einen Weg vor, von dem er weiß, dass er für ihn übel enden wird. Für ihn ist aber klar, dass es keinen anderen wirksamen Weg gibt.

Große Vorbilder im Glauben sind Jesus auf diesem Weg der Selbsthingabe (nicht Selbstentwertung!) gefolgt und haben ihr Leben eingesetzt und oft auch verloren. Denken wir an die Märtyrer – auch an die aus jüngster Vergangenheit, an die bekennenden Christ*innen, die heute wegen ihres Glaubens verfolgt und getötet werden. Für „Durchschnittsgläubige“ ist die Bereitschaft zum Martyrium nicht verpflichtend. Aber – ich meine, es gibt auch das unblutige, sozusagen das Martyrium im täglichen Leben. Es ereignet sich in aller Stille, auf einem Nebenschauplatz, in der Treue im Kleinen: Da pflegt eine Mutter mit Liebe und Hingabe ihr behindertes Kind. Sie muss auf vieles verzichten, was in ihrem Leben vorher wichtig war. Ihr Partner war der Belastung nicht gewachsen und hat sie verlassen. Frauen und Männer in unserer Nachbarschaft und in unserem Bekanntenkreis nehmen täglich ihr Kreuz auf sich. Sie wissen: Es geht dabei ums Ganze. Es geht um die Würde kranker oder von Ausgrenzung bedrohter Menschen. Es geht um die Treue in schweren Tagen, die sich Eheleute versprechen. In guten Tagen ist dieses Versprechen leicht zu halten. Auch in schweren Zeiten soll die Liebe „Ja“ sagen. Jeder Mensch, der liebt, wird leiden. Es ist ein Kreuz, wenn alte Menschen erleben müssen, dass ihr Lebenspartner allmählich in der Demenz versinkt, seine nächsten Menschen nicht mehr erkennt. Wie segensreich, wenn die Partnerin/der Partner oder die erwachsenen Kinder die Verbindung nicht aufgeben und spüren lassen, dass der hilfsbedürftige Mensch nicht allein ist.

Das eigene Kreuz auf sich zu nehmen, bedeutet nicht, jeder Freude oder jeglichem Lebensgenuss entsagen zu müssen – so wurde es lange Zeit irrtümlich ausgelegt. Es heißt vielmehr, das Leben aus dem Glauben zu gestalten und zu Christus zu stehen – mit allen Konsequenzen.

Ob Simon Petrus diese ernsten Worte Jesu verstehen konnte? Sicherlich ist er eine Weile sehr gekränkt hinter Jesus hergegangen. Er ist schließlich auf dem richtigen Weg der Nachfolge und Treue angekommen.

Suchen auch wir durch manche Beschwernisse und Stolpersteine hindurch nach der Spur, die das ganze Leben annimmt: unser Leben einerseits mit seinem Glück, andererseits aber auch mit seinen Herausforderungen und Leiderfahrungen.

Wir sind auf diesem Weg nicht allein, Jesus geht uns voran, folgen wir ihm!

Sepp Krasser