Das Wort zum Sonntag – 4. Sonntag der Osterzeit

Liebe Pfarrgemeinde!

Der „Guter-Hirte-Sonntag“, der Weltgebetstag für geistliche Berufe ist meines Erachtens ein passender Anlass einmal ganz ehrlich zu schauen, wie es denn in unserer Pfarre um das Klima bestellt ist, in dem geistliche Berufe wachsen können.

Nun, wenn ich an meine eigene Berufungsgeschichte denke, dann mutet mich das aus heutiger Sicht schon sehr abenteuerlich an, wenn ich ehrlich bin. Ich kann ja leider keine radikale Bekehrungsgeschichte vorweisen, wie etwa die des Paulus. Vielmehr habe ich immer mehr gespürt, dass mir die Ziele, die mir mein Leben auf den ersten Blick so zu bieten hatte, schlichtweg zu oberflächlich waren.

Fasziniert hat mich damals mein Heimatpfarrer P. Engelbert Ferihumer. Die positive und zuversichtliche Art, wie er mit den Dingen und Ereignissen im steten Auf und Ab des Lebens umgegangen ist, machte mich zunächst neugierig. Er hat seinen Glauben lebendig und authentisch gelebt. Seine tiefe Beziehung zu Gott war für mich geradezu greifbar und faszinierte mich. Vor allem, dass er mir später dann nie irgendwelche glatten Antworten auf meine Fragen und Probleme gab, sondern auf mich immer mit viel Herz und Fingerspitzengefühl einging, ließ mir bald einiges klar werden. Mehr und mehr wurde mir deutlich, was Jesus mit dem Begriff „Hirte sein“ gemeint hat. Schließlich war es dann nur mehr eine Frage der Zeit, bis ich mich entschlossen habe Priester zu werden. Ich gebe zu: nach einigen Irr- und Umwegen.

Seither ist mir aber ziemlich klar, wie wichtig Authentizität und Offenheit im Umgang mit suchenden Menschen ist. Diese Erkenntnis ist übrigens heute für mich sehr entlastend, das können Sie mir glauben. Es ist darüber hinaus für uns alle entlastend, denke ich. Es bedeutet nämlich: Wenn wir wollen, dass in unserer Gemeinde geistliche Berufungen wachsen und reifen können, dann brauchen wir dazu keine Übermenschen oder wandelnde kirchliche Lehrbücher sein. Allein ein lebendiger Glaube, dazu Offenheit, Wohlwollen, eine gehörige Portion Geduld und jede Menge Liebe lassen die Bäume wachsen und reifen, aus deren Holz geistliche Berufungen geschnitzt sind.

Ihr Pfarrer