Das Wort zum Sonntag – Palmsonntag

Liebe Pfarrgemeinde!

Mit dem Palmsonntag beginnen wir die Karwoche. Eigentlich müsste man sagen: es ist eine Woche des Skandals und der Skandale. Ein Messias verkündet seine Botschaft von der Liebe Gottes und wird dafür ans Kreuz geschlagen. Wie groß die Hoffnungen waren, die die Menschen damals an Jesus und seine Botschaft knüpften, zeigt sich heute am Einzug in Jerusalem. Wie im geschlossenen Chor jubeln die Menschen ihm zu und rufen: Hosanna, dem Sohne Davids. Kurze Zeit danach brüllten sie ebenso geschlossen: Ans Kreuz mit ihm! Lass uns lieber den Räuber Barabbas frei.

Was bedeutet das Ganze eigentlich? Paulus hat damals schon geschrieben, das Kreuz Christi sei in den Augen der Juden ein empörendes Ärgernis, in den Augen der Heiden eine Torheit.

Und heute 2000 Jahre später? Was bedeutet das Kreuz für uns Menschen des 21. Jahrhunderts?

Wir alle kennen die kleinen Kreuze an den Straßen, die von den Familien oder Freunden eines im Verkehr tödlich verunglückten Menschen am Ort seines Sterbens aufgestellt wurden. Oft sieht man, dass sie mit neuen Blumen versehen sind. Das Kreuz als ein liebevolles Zeichen der trauernden Erinnerung.

Für viele Menschen ist das Kreuz aber einfach ein Schmuckgegenstand, den man aus in Silber oder Gold an einer Halskette trägt . Warum ausgerechnet das Kreuz in unserem Kulturkreis eine weite Verbreitung als Schmuckmotiv gefunden hat, bleibt rätselhaft. Nicht selten lassen Menschen sich ein Kreuz auch tätowieren. Ist das eine Oberflächlichkeit oder vielleicht doch Ausdruck einer Faszination, die tiefer in uns sitzt, als wir selbst ahnen?

Vergessen sollten wir aber nie, dass das Kreuzsymbol in totalitären Staaten und in Kriegen entsetzlich missbraucht wurde. Im Jahr 1934 wählte man das „Kruckenkreuz“ zum Emblem für den austrofaschistischen Ständestaat, der bis 1938 in Österreich herrschte. Während der NS-Diktatur gab es dann das „Eiserne Kreuz“ in verschiedenen Klassen, das „Ritterkreuz“ als besonders hohe Auszeichnung für Tapferkeit im Kampf, weiters das „Ritterkreuz mit Eichenlaub und Brillanten“ und Mütter, die mindestens vier Kinder hatten, erhielten das „Mutterkreuz“.

Alles vorbei! Das NS-Reich sollte 1000 Jahre dauern. Aber nach12 Jahren war der Spuk gottlob zu Ende. Der Nationalsozialismus ging in einem noch nie dagewesenen Inferno zugrunde. Und unzählige Kreuze gefallener Väter und Söhne standen auf den Friedhöfen fast der ganzen Welt.

Im Bereich des Christentums ist das Kreuz kulturell gesehen ein Zeichen der Trauer, des Verlustes, des tiefen Ernstes. Doch ist es mehr als alles, was Menschen jemals positiv oder negativ mit diesem Symbol angestellt haben. Am Kreuz von Golgotha draußen vor Jerusalem starb Jesus mit dem Ruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“

In Jesus ist Gott in die tiefste Tiefe gekommen. Tiefer geht es nicht. Der Sohn des Vaters von Gott verlassen, wer könnte das erfinden?

Die Kreuzesworte sind ein Konzentrat der Botschaft vom Gekreuzigten. Jesus stirbt als der Christus Gottes durch Menschen für alle Menschen. In dieses Sterben packt Gott alle Schuld, alle Gottlosigkeit und die Verzweiflung aller Menschen aller Zeiten. Rückwärts und vorwärts. Auch meine und Ihre. „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich.“ Nicht wir müssen uns mit Gott versöhnen, den wir so hintergangen, beleidigt, belogen und betrogen haben, sondern Gott selbst hat diese Versöhnung mit sich im Sterben des Gottessohnes am Kreuz vollzogen.

Paulus ist der große Kreuzestheologe. Er verkündet und lehrt die Bedeutung des Kreuzes. Für ihn ist es das zentrale Geschehen für alle Welt und jeden Menschen. Für die einen ist das Kreuz ein Skandal. Für Christinnen und Christen ist es das Zeichen für die Erlösung: Durch seine Wunden sind wir geheilt!

Das Kreuz Christi ist das Thema der Karwoche und besonders natürlich am Karfreitag. Doch auch der Karfreitag ist letztlich ein freudiger Tag. Er ist keine nachgeholte Beerdigungsfeier für Jesus. Denn der Gekreuzigte lebt! Ostern steht vor der Tür.

Ich wünsche Ihnen eine gnadenreiche Karwoche und ein frohes und gesegnetes Osterfest!

Ihr Pfarrer