Das Wort zum Sonntag – 5. Fastensonntag

Liebe Pfarrgemeinde!

„Von der Erde bist du genommen und zur Erde kehrt du zurück!“ Mit diesen Worten werfe ich drei Schaufeln voll Erde ins Grab.

Es ist ein kalter Märztag heute. Hin und wieder bricht die Sonne durch den verhangenen Himmel. Nur eine kleine Trauergemeinde hat sich um das Grab versammelt. Es gibt nur noch wenige Angehörige und Freunde, die der 92jährigen Verstorbenen die letzte Ehre erweisen können. Nach dem gemeinsamen „Vater Unser“ spreche ich das Schlussgebet und erteile den Umstehenden den Segen. Dann spreche ich den Angehörigen mein Beileid aus und gehe zurück zur Sakristei. Erwin geht mit mir. So tut er es seit vielen Jahren. Erwin ist Totengräber. Eigentlich ist er ja schon längst im Ruhestand. Aber solange es gesundheitlich halbwegs geht, hilft er im Bestattungs-unternehmen auch weiterhin aus, wenn er gebraucht wird, sagt er.

„Hast du eine Ahnung, wie viele Menschen du auf ihrem letzten Weg begleitet hast?“, frage ich Erwin. Er überlegt ein wenig. „Viele“, sagt er dann, „sehr viele sind es wohl geworden in den fast fünfzig Jahren. Irgendwann hört man auf zu zählen.“ Erwin hat recht. Mir geht es ähnlich. Ich könnte die Frage auch nicht beantworten.

Meine Gedanken gehen weiter. „Weißt du, Erwin“, sage ich, „manchmal denke ich: Irgendwann sind wir es selbst, denen man das letzte Geleit gibt.“ „Ja“, meint Erwin, „irgendwann sind wir es selbst.“ Und nach einer kurzen Pause fährt er schmunzelnd fort: „Aber auch das werden wir schließlich überleben!“

Noch während ich überlege, wie ich auf diesen vermeintlichen Scherz rea-gieren soll, wird mir bewusst: Alles, was ich je bei Beerdigungen als Priester gesagt habe, alles, was ich zutiefst im Inneren glaube, alles, worauf die Christinnen und Christen ihre ganze Hoffnung setzen, hat der Erwin jetzt in einem einzigen Satz zusammengefasst. Ich bleibe stehen und schaue Erwin in die Augen: „Ja, du hast recht, Erwin – das werden wir auch noch überleben...“

Langsam gehen wir weiter in Richtung Sakristei. Es ist immer noch kalt. Trotzdem bricht schon immer öfter die Sonne durch. Wir gehen Ostern entgegen.

Ihr Pfarrer