Das Wort zum Sonntag – 4. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Pfarrgemeinde!

Wenn bei Menschen die Ratlosigkeit zu groß wird, dann haben Meinungsforscher, Gutachter und Sachverständige Hochkonjunktur. Wir erleben das in den Nachrichten fast täglich: immer wieder werden Fachleute befragt, zur aktuellen Lage der Wirtschaft, bei den Parteien, in der Finanzwelt, zum Wetter und zur Weltlage überhaupt ein Gutachten abzugeben.

Was für ein Gutachten Gott abgeben würde, lässt jedoch leider nicht erfahren. Oder doch?

Gott hat immer wieder in der Geschichte sein "Gutachten" abgegeben und den Menschen mitgeteilt, wie er die Lage beurteilt. Und die Menschen, durch die Gott sein "Gutachten" abgibt, die nennen wir Propheten. Prophet ist jedoch niemand, der im Kaffeesatz liest oder in Illustrierten fragwürdige Horoskope veröffentlicht. Propheten sind Menschen, die in einer konkreten gesellschaftlichen, politischen oder geistlichen Lage den Finger auf die wunden Punkte legen und von Gott her die Situation deuten und beurteilen. Dass sich daraus dann auch Perspektiven auf die Zukunft ableiten lassen, ist nicht verwunderlich: Wenn ihr euch so oder so verhaltet, dann hat das diese oder jene Konsequenzen für euch. Sagt hinterher nicht, es hätte euch niemand gewarnt!

In genau einer solchen prophetischen Situation befindet sich Jesus schon zu Beginn seines Wirkens bei seiner Antrittspredigt. Die erstaunt zuerst die Zuhörer, dann aber wird es zum Fiasko: Alle werden wütend, als sie merken, dass es gar nicht um die Brillanz der Rhetorik geht, sondern um den Anspruch Jesu, dass sich in ihm alle Verheißungen des Alten Testaments erfüllen. Nicht nur Empörung macht sich breit: Ist das nicht der Sohn des Josef? Was bildet der sich denn ein? Zorn verbreitet sich, mehr noch, sie wollen ihn aus der Stadt jagen und töten.

Die Erfahrung, dass der Prophet in der eigenen Heimat nicht viel gilt, ist auch uns bekannt. Wie kleingläubig waren die Menschen in Nazareth! Und wenn wir diese Kleingläubigkeit in unserer Kirche erleben, wo die zentrale Botschaft Jesu vom Reich Gottes kaum mehr in Erscheinung tritt vor lauter Strukturdiskussionen, dann ist es manchmal auch besser, "durch die Menge hindurch zu schreiten und wegzugehen".

Und wem das nicht möglich ist, der kann im Gebet oder in der Messfeier neue Kraft finden. Wir dürfen sicher sein: Christus ist letztendlich Sieger, auch über die derzeitigen Nöte in unserer Kirche, aller Verwirrung und aller Desorientierung zum Trotz.

Ihr Pfarrer